Safran - Der Exot von der Alm

In der Gemeinde Mund im Schweizer Wallis bauen Bewohner kostbares Safran an. Die Menge ist klein. Dem Safran-Tourismus tut dies freilich keinen Abbruch.

Die Todesstrafe wäre ihnen sicher gewesen. Das hinderte die Schweizer Söldner in spanischen oder italienischen Diensten nicht. Zu verlockend war die Aussicht, das kostbarste Gewürz der Welt einmal selbst anbauen zu können. Und reich zu werden. Also stibitzten sie einige der kostbaren Safranzwiebeln, versteckten sie in ihrem Haarschopf und schmuggelten sie in ihre Heimat, das schweizerische Wallis.

 

Ob diese Legende stimmt, das weiß keiner so genau. Tatsache jedoch ist, dass Safran seit dem 15. Jahrhundert nicht nur in Italien oder Spanien angebaut wird, sondern auch im Wallis. Wer sich auf Spurensuche begeben will, wird heute allerdings nur noch in Mund fündig. Das winzige Bergdorf oberhalb von Brig ist im Alpengebiet inzwischen der einzige Ort, an dem der Crocus Sativus noch – aufwändig und per Hand – angepflanzt, geerntet und verarbeitet wird. Weshalb immer häufiger Touristen in das 560 Seelen beherbergende Dorf pilgern, vor allem in der rund dreiwöchigen Blütezeit Ende Oktober Anfang November.

 

Vom Parkplatz unterhalb der Kirche schweift der Blick zuerst über die mächtigen Viertausender, die sich auf der anderen Seite des Rhonetals auftürmen, auf Weißhorn, Bottelhorn und etwas im Hintergrund das Matterhorn. Das Tal liegt weit unten. Und mit ihm all der Lärm, all das geschäftige Treiben, das Wuseln, Hetzen, Drängeln, Vorwärtskommen. Hier oben auf 1.200 Höhenmetern summen Bienen über die Almwiesen, die klare Luft schmeckt nach Schnee und das Konzert der Kuhglocken stimmt träge.

 

Die Safranfelder in den Hängen unterhalb des Dorfes zeichnen sich mit ihrer grauvioletten Farbe deutlich von den grünen Wiesen und Weiden ab. Ein kleiner Fußweg führt zu den über 100 Parzellen hinab, vorbei an einem Schild „Pflücken verboten“ bis man in einem Meer aus lila Blüten steht. Über Nacht sind viele tausend Blüten durch die Oberfläche gestoßen, jede für sich ist ein Kunstwerk mit den sechs lila Blütenblättern und den drei gelben Staubblättern. Das wichtigste sind indes die roten Safranfäden, die aus der Mitte herauswachsen, meistens drei, manchmal aber auch vier oder fünf. Ihrer Farbe und des Preises wegen nennt man Safran auch gerne das rote Gold.

 

Tief gebeugt schreiten Renata und Werner Studer über ihr Feld, zupfen die offenen Blüten und werfen sie in die mitgebrachten Körbe. „Ob es eine gute Ernte gibt oder nicht, darüber entscheidet das Wetter“, erklärt der 58-Jährige. Die Sonne muss dafür kräftig scheinen, es darf nicht regnen und der Wintereinbruch sollte nicht zu früh einsetzen.

 

Zusammen ernten die Munder Bauern bis zu fünf Kilo Safran in einer Saison. Verglichen mit den 180 Tonnen Safran, die aus dem Iran stammen, ist das nicht der Rede wert. (Siehe Kasten Verwendung und Anbau) Spielt das Wetter jedoch nicht mit, müssen sich die Schweizer Bauern wie im vergangenen Jahr mit drei Kilo begnügen.

 

Ihre Existenz ist durch diese Launen der Natur aber längst nicht mehr bedroht. Werner Studer arbeitet im Tal als Elektromonteur, seine Frau als Sekretärin in einer Anwaltskanzlei. Die Einnahmen aus der Safranernte sind allenfalls ein guter „Zustupf“ wie sie hier sagen.

 

Das war vor 100 Jahren noch anders. Damals galt das Wallis als das Schweizer Armenhaus. Die kargen Böden warfen zu wenig ab, für Milch und Käse gab es kaum Abnehmer. Da waren die Safranfäden ein Gut, mit dem man tauschen konnte, weiß Zunftmeister Daniel Jeitziner. „Gegen Tee, Mais und Reis wurde Safran getauscht, direkt im Tal, aber auch auf der anderen Seite des Simplonpasses in Italien.“

 

Heute verbleibt der Safran in Mund. Die Bauern können gar nicht so viel produzieren wie sie verkaufen könnten. Wer als Tourist in Mund Safran kaufen will, der kann sein Glück nur in dem kleinen Lebensmittelgeschäft gegenüber der Kirche versuchen. Im Schaufenster liegen goldgelbe Safrannudeln, Safranbrot und Flaschen mit Safranlikör. Safran selbst verkaufen sie auch, das Gramm zu 25 Schweizer Franken. „Aber leider haben wir weniger Safran als wir verkaufen könnten“, sagt Eliane Albert.

 

Wer den Schweizer Safran trotzdem kosten will, kann das in einem der drei Restaurants tun. Von der Suppe bis hin zum Nachtisch steht auf den Speisekarten alles unter dem Motto des ein wenig herb riechenden und leicht bitterscharf schmeckenden Gewürzes.

Ob Safran-Spaghetti oder ein Safran-Dessert, Martha Schnydrig aus dem Salwald kredenzt von Ostern bis Oktober ihren Gästen Gerichte mit dem roten Gold. Berühmt ist sie für ihr Safranrisotto. Dafür legt sie ein paar Safranfäden in Weißwein ein und kocht eine frische Gemüsebrühe. Immer wieder schüttet sie davon ein wenig über den kochenden Reis. „Wichtig ist, dass der Reis nicht in der Brühe schwimmt, sondern von der Flüssigkeit leicht bedeckt wird. Dazu gieße ich regelmäßig ein paar Löffel hinzu“, erklärt die Küchenchefin. „Statt pampig zu werden bleibt der Reis bissfest – das ist sein Geheimnis.“

 

Das Risotto serviert sie mit Geschnetzeltem und ein wenig Salat.  Wer nur eine Brotzeit möchte, erhält im Salwald Safrankäse mit Früchtebrot. Den Käse lässt die freundliche Wirtin auf einer Munder Alp herstellen. Auf 300 Liter Milch braucht es 15 Gramm Safran und einige Monate Ruhe, bevor Martha Schnydrig ihn ihren Gästen servieren kann.

 

„Die Gäste kommen heute von überall her, um unsere Gerichte zu probieren“, sagt sie stolz. Das wäre früher unmöglich gewesen, denn bis 1951 war Mund von der Außenwelt abgeschnitten. Es gab keine Zugverbindung, keine Straße, keine Seilbahn. Lebensmittel und Post wurden mit Maultieren aus dem Tal befördert. „Wenn einer von uns krank war, wurde der Arzt aus Brig mit dem Maultier geholt“, erinnert sich der 75-jährige Dorfchronist Johann-Josef Hutter.

 

Erst 1951 wurde eine Seilbahn, 1978 dann eine Straße gebaut. Für die Munder war der Bau der Straße ein Segen. Für eine Arbeitsstelle mussten sie nicht mehr wegziehen, sondern konnten im Tal arbeiten und in Mund leben. Diese positive wirtschaftliche Entwicklung hatte jedoch auf den Safrananbau verheerende Folgen. Kaum einer wollten noch die Felder bestellen. Statt 16.000 Quadratmeter wurden 1978 nur noch 500 Quadratmeter bebaut. Die Safrantradition wäre zweifellos ausgestorben, hätte nicht der Munder Pastor Erwin Jossen die Bewohner aufgerüttelt. „Der Safran ist für Mund was das Matterhorn für Zermatt ist“ beschwor er die Munder Eidgenossen.

 

Sein Appell wirkte. 1979 gründeten 47 Munder Bürger die Safranzunft. Mit finanzieller Unterstützung von Bund und Kanton wurden Safran-Zwiebeln aus dem Iran importiert. Heute hat die Zunft über 200 Mitglieder, mehr als die Hälfte baut den „Crocus Sativus“ selbst an.

 

Das kommerzielle Interesse steht allerdings nicht an erster Stelle. „Wir wollten die Tradition des Safrankulturen bewahren und die Kameradschaft pflegen“, sagt Zunftmeister Daniel Jeitziner. Renata und Werner Studer sehen das genauso. An diesem Nachmittag haben sie über 3.000 Blüten eingesammelt. Jetzt liegen die violetten Blätter auf dem Küchentisch. Per Hand müssen die Safranfäden von der Blüte getrennt werden, um dann zu trocknen. Das ist eigentlich eine Plackerei. Doch in Mund macht man aus der Not eine Tugend und lädt Freunde ein. Käse und Wein stehen auf dem Tisch. Jeder greift in den Berg, nimmt ein paar Blüten und trennt die kostbaren Safranfäden ab. Ab und an macht ein Witz die Runde. Meistens ist es aber still. „Statt vor dem Fernsehen zu hocken“, sagt Werner Studer, „sitzen wir zusammen, trinken ein Gläschen, pflücken, erzählen und lachen. Das ist das eigentlich Gute am Safran.“

 

Reiseinfos

Für die Safranblüte sollte man zwischen dem 5. und 25. Oktober nach Mund reisen. Mund erreicht man per Bahn bis nach Brig und dort weiter mit dem Postbus. Mit dem PKW über Bern, Autoverladung Lötschbergtunnel nach Goppenstein, Brig nach Mund.

 

Unterkunft

Einzige Übernachtungsmöglichkeit in Mund bietet das Restaurant Salwald. Es gibt dort ein Einzelzimmer und zwei Massenlager. Die Übernachtung mit Halbpension kostet 55 Schweizer Franken. Reservierung unter 0041 279230812. Weitere Übernachtungsmöglichkeiten gibt es in Brig, Blattern und anderen Nachbarorten.

 

Aktivitäten

Mund bietet eine Vielzahl von attraktiven Wanderwegen, die aufgrund seiner Lage häufig in der Sonne verlaufen. Sehr interessant ist der Suonen-Wanderweg. Suonen nennen die Walliser ausgehöhlte Baumstämme, die so zusammengefügt wurden, dass man damit das Wasser aus den Tälern um die steilen Berge herum führen und die trockenen Felder bewässern konnte.

 

Die interessante Geschichte des Dorfes, über Wanderwege und Safrankultur weiß Dorfchronist Josef Hutter sachkundig zu erzählen. Tel. 0041 (0)27 9233209.

 

Weitere Informationen

Mund Tourismus Infostelle, CH-3903 Mund, Telefon 0041-279242689 oder im Internet www.mund.ch oder unter Schweiz Tourismus, Postfach 160754, 60070 Frankfurt a.M.; kostenlose Servicenummer 0800-10020031.